Leistungen zur Eingliederung in Arbeit

Positionierung der BAG Hartz IV zu den „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“.

Beschlossen auf der Bundesdelegiertenkonferenz 6-7.4.2019 in Duisburg.

Wir, die Mitglieder der BAG Hartz IV, erwarten von den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichteten Jobcentern Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit, die eindeutig dem Ziel der Integration in den ersten Arbeitsmarkt dienen. Solche Maßnahmen müssen aus qualifizierten Aus- und Weiterbildungen bestehen, die mit anerkannten Abschlüssen enden.
Bei den „Fördermaßnahmen“ der Jobcenter sind solche Zielrichtungen in den letzten Jahren kaum erkennbar. Dies gilt nicht nur für einzelne Trainingsmaßnahmen und Lehrgänge. Das gilt für fast alle Maßnahmen der Jobcenter. Mit den „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ werden zum größten Teil die Profite der Maßnahmeträger und der statistische Nachweis der Daseinsberechtigung des Hartz IV-Systems gesichert.


Daher erheben wir folgende Forderungen an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und ihren Jobcentern:
Sinnlosmaßnahmen sind kein adäquates Instrument zur Arbeitseingliederung und ersatzlos zu streichen.
Neue Sklavenarbeit ist zu verbieten.
Begründung:


Rechtlicher Hintergrund der Förderung


Die Ziele und Inhalte der SGB II Gesetzgebung unterscheiden sich grundlegend von denen des Sozialgesetzbuches (SGB) III. So steht in diesem Buch im §1 (1):
Die Arbeitsförderung soll dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. Dabei ist, insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist als durchgängiges Prinzip der Arbeitsförderung zu verfolgen. Die Arbeitsförderung soll dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Sie ist so auszurichten, dass sie der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung entspricht.
Im SGB II §1 (1) heißt es jedoch:
Die Grundsicherung für Arbeitssuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.
Das sind zwei grundverschiedene Ziele. Dementsprechend findet auch die Förderung der Hartz IV-Betroffenen statt.
Wo beim SGB III die berufliche und fachliche Qualifikation im Vordergrund steht, werden im SGB II zum großen Teil Maßnahmen gefördert, die sowohl der Statistikfälschung wie auch der Aufrechterhaltung der Armutsindustrie dienen.


Kein Euro für die Armutsindustrie


Es steht außer Zweifel, dass „Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit“, deren Inhalte darin bestehen, Puzzle auf Vollständigkeit zu prüfen, Plastiksalatköpfe abzustauben oder mit Lamas spazieren zu gehen, völlig ungeeignet sind, eine Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern.
Wir sind ebenfalls der Auffassung, dass sogenannte „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (1€-Jobs)“, zu denen Hartz IV-Betroffene zwangsverpflichtet werden, die Würde der Leistungsberechtigten zutiefst verletzt. Diese Entwürdigung besteht darin, dass gleiche Arbeit während dieser 1€-Jobs auch von Festangestellten mit ordentlicher Entlohnung verrichtet wird, während Hartz IV-Betroffene lediglich mit Aufwandsentschädigung unterhalb der Höhe des Lohns eines Gefängnisinsassen abgespeist werden.
Zudem werden immer mehr „Kurzzeitmaßnahmen“ wie z. B. das beliebte Bewerbungstraining angeboten. Das mag für den einen oder die andere zwar hilfreich sein, dient aber nach der x-ten Teilnahme eher der Verwahrung und Bewachung der Leistungsberechtigten anstatt der Vermittlung in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis.
Genau diese unsinnigen Maßnahmen, die selbst der Bundesrechnungshof kritisiert hat, verschlingen allein mehr als 80 % der Fördermittel der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Gefördert wird damit lediglich der Bestand der Armut in Deutschland.

Effektive Qualifizierungsmaßnahmen müssen Vorrang haben


Nach Einführung der Hartz IV-Gesetzgebung hat sich die Struktur der Bildungsangebote nach und nach verändert. Träger mit guten und zukunftsweisenden Qualifizierungsmaßnahmen sind fast vollständig vom Markt verschwunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erachtet die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose als entbehrlich. Schließlich dienen die Langzeitarbeitslosen seit Jahren der Aufrechterhaltung des europaweit größten Niedriglohnsektors. Die deutsche Wirtschaft begleitet das Geschehen mit der zynischen Kakophonie des angeblichen Fachkräftemangels. Wäre es der Wirtschaft ernst mit diesem Fachkräftemangel, dann gäbe es längst wieder Qualifizierungsmaßnahmen, die diesen Namen auch verdienen. Dann bräuchte man weder die politische Forderung nach effektiven Maßnahmen, noch die Frage, in welche Jobs man die Leistungsberechtigten vermitteln soll, zu stellen.
Der amtierenden Bundesregierung fehlt der politische Wille, ihre Praxis zu ändern, es fehlen die Bildungsträger, die diesen Willen umsetzen können. Offene Stellen sind auf dem Arbeitsmarkt im erforderlichen Ausmaß ebenfalls nicht vorhanden.


Verabschiedung vom Glauben an Beschäftigung für alle


In der BRD gibt es ca. 4 Millionen Menschen, die keine Erwerbsarbeit haben. Hinzu kommt noch die stille Reserve sowie Menschen, die unterbeschäftigt sind. Schätzungen gehen von ca. 5 Millionen Menschen aus, die auf der Suche nach einer Beschäftigung sind. Demgegenüber stehen knapp 600.000 gemeldete offene Stellen. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass noch einmal die Hälfte an Stellen dazukommt, die von den Firmen nicht gemeldet werden, liegt die Quote von Arbeitssuchenden zu offenen Stellen bei ca. 5:1. Angenommen, dass alle offenen Stellen besetzt werden können, was passiert dann mit den ca. 4,4 Millionen Menschen, für die keine oder nicht genug Arbeit vorhanden ist? Damit kann folglich nicht jeder und jede Erwerbsarbeit finden. Die reicht einfach nicht für alle.


Umschichtung von Mitteln


Ein immer größer werdender Teil der „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ wird nicht nur für die ohnehin sinnlosen Maßnahmen der Jobcenter verwendet, sondern fließen in die Verwaltung der Jobcenter. Diese Verwaltungen haben sich in den letzten Jahren ständig aufgebläht, um dieses repressive System zu verfestigen und jedes noch so kleine Vergehen zu sanktionieren. Weniger „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ bedeuten daher auch weniger Gelder, die in dieses Unrechtssystem fließen.
Schlussbemerkung:
Vor diesem Hintergrund fordern wir die Streichung der Mittel für Sinnlosmaßnahmen der „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“. Sie verfestigen das bestehende System. Stattdessen fordern wir qualifizierte Aus- und Weiterbildung. Um das gesamte System sinnvoll zu verändern, ist eine ganze Reihe von Maßnahmen erforderlich.

Dies wären unter u. a.


1. Einführung eines armutsfesten Mindestlohnes
2. Schaffung von Arbeitsplätzen durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit
3. Absenkung der Lebensarbeitszeit (Senkung des Renteneintrittsalters)
4. Abschaffung von Sanktionen auch bei Nichtantritt von Maßnahmen
5. Verbot von Leih- und Zeitarbeit sowie das Verbot von Werksverträgen
6. Gesetzliches Anrecht auf Aus- und Weiterbildung
7. Wiederaufbau von qualifizierten Bildungsträgern
8. Einführung einer armutsfesten sanktionsfreien Mindestsicherung und einer armutsfesten Mindestrente.


Unser Ziel kann es nicht sein, durch kleinste Verbesserungen für die Betroffenen ein neues Hartz IV zu installieren. Daher werden wir weiter konsequent für dessen Abschaffung kämpfen.