ALG-I-Anspruch nach Erwerbsminderung
Eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente führt nach deren Ende grundsätzlich zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Dafür muss die Rentenzahlung nicht zwingend innerhalb eines Monats an einen vorhergehenden Arbeitslosengeldbezug oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anschließen.
Dieses urteilte am Donnerstag, 23. Februar 2017, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 11 AL 3/16 R). Ähnliches gelte auch bei einem Bezug von Krankentagegeld von einer privaten Krankenversicherung, so der 11. BSG-Senat in einem zweiten Fall (Az.: B 11 AL 4/16 R).
Im ersten Verfahren hatte die Deutsche Rentenversicherung bei der aus Nordrhein-Westfalen stammenden arbeitslosen Klägerin eine volle Erwerbsminderung festgestellt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) stoppte daraufhin ab dem 8. März 2012 die Arbeitslosengeld-I-Zahlung. Da die Frau nur noch weniger als zwölf Stunden pro Woche arbeiten können, sei sie nicht mehr vermittelbar.
Erst ab Mai 2012 erhielt die Frau eine befristete Erwerbsminderungsrente. Als diese auslief, meldete sie sich ab 2014 wieder arbeitslos.
Doch die BA wollte ihr nur noch für 37 Tage Arbeitslosengeld I zahlen. Dies sei der übrig gebliebene Anspruch aus ihrer früheren Arbeitslosigkeit. Die Zeit des Bezugs der Erwerbsminderungsrente ließ die Behörde unberücksichtigt. Dies könne nur berücksichtigt werden, wenn die frühere Arbeitslosigkeit „unmittelbar“ an den Rentenbezug anknüpft. Als „unmittelbar“ sei eine Frist von einem Monat anzusehen. Die Klägerin habe aber ihre Erwerbsminderungsrente erst 43 Tage nach dem Ende ihrer Arbeitslosigkeit und nicht innerhalb eines Monats erhalten.
Dieser auch in den Instanzgerichten verbreiteten Auffassung widersprach nun das BSG. Die Zeit, in der die Klägerin ihre befristete Erwerbsminderungsrente erhalten habe, habe zu einem neuen Arbeitslosengeld-I-Anspruch geführt. Auch wenn die Klägerin erst 43 Tage nach dem Ende des vorherigen Arbeitslosengeld-I-Bezugs ihre Rente erhalten hat, sei dies immer noch „unmittelbar“ im Anschluss erfolgt.
Der Gesetzgeber habe Betroffene, die nach einer zeitweiligen Erwerbsunfähigkeit wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, schützen wollen, so das BSG. Die von der BA praktizierte Ein-Monatsfrist stehe diesem Gesetzeszweck entgegen. Denn die Klägerin könne nichts dafür, dass zwischen ihrem früheren Arbeitslosengeld-Bezug und dem Erhalt ihrer befristeten Rente eine Lücke von über einem Monat entstanden sei.
Ähnlich urteilten die Kasseler Richter auch im zweiten Fall, bei dem der arbeitslos gewordene Kläger Krankentagegeld von seiner privaten Krankenversicherung erhielt. Das Krankentagegeld wurde laut Vertrag jedoch erst ab dem 43. Kalendertag der Krankmeldung gezahlt. Auch hier wollte der Kläger, dass die entsprechenden Zeiten beim Arbeitslosengeld-I-Anspruch berücksichtigt werden.
Die BA lehnte dies ebenfalls mit Verweis auf die Ein-Monatsfrist ab. Der Bezug des Krankentagegeldes sei nicht „unmittelbar“, also innerhalb eines Monats nach dem Ende der Beschäftigung erfolgt. Daher könnten die Bezugszeiten auch nicht beim Arbeitslosengeld-I-Anspruch berücksichtigt werden.
Das BSG urteilte, dass die BA die Zeiten des Krankentagegeld-Bezuges auf den Arbeitslosengeld-I-Anspruch anrechnen muss. Der Kläger müsse hier mit gesetzlich Versicherten gleichgestellt werden. Denn gesetzlich Versicherte erhielten unmittelbar nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses Krankengeld. Eine Leistungslücke wie bei privat Krankenversicherten könne hier nicht entstehen.